Trafostation 15: Wer kopiert, verachtet Innovation

Shownotes

Lohnt sich Innovation heute noch? Über unser gestörtes Verhältnis zum Original und Nachahmung in Zeiten der Wissensökonomie sprechen Wolf Lotter und Christoph Pause in der „Trafostation“.

Früher wurden Künstler und ihre Verleger beklaut, Bücher im Copyshop reproduziert und Musik auf Kassetten mitgeschnitten. Konnte man damals eine Fälschung ohne Aufwand erkennen – weil die Buchseite einen starken Druckrand hatte oder die Musik beim Abspielen rauschte – ist es heute nicht mehr so einfach. Der Computer, die digitale Universal-Maschine, schafft Kopien, die vom Original nicht mehr unterscheidbar sind.

„Was digital perfektioniert wurde, ist ein Merkmal der Industriegesellschaft und ihres Betriebssystems“, meint Wolf Lotter.

Die Fabrik sei demnach nichts anderes als eine riesige Kopiermaschine, die außer der sogenannten Form viele einzelne Abzüge herstellt. Wir leben in einer Welt der Kopien. Die Ideologie heute wie früher: Gerecht ist, was gleich ist. Und nichts ist gleicher als die Kopie, stellt Lotter fest:

„Masse, Kopie, Nachahmung, das Ende der Persönlichkeit und der Kampf gegen das Original. Sie gehören zusammen.“

Wir haben ein zutiefst gestörtes Verhältnis zum Echten, meint der Publizist und verweist auf die Unternehmenswelt: Warum ist abweichendes Denken so verpönt und warum ist es leichter, dem Chef eine geklaute Idee von jemand anderem zu verkaufen, als eine eigene zu entwickeln? Ein Blick ins Supermarktregal oder in E-Commerce-Plattformen bestätigt: Wir geben uns damit zufrieden, dass es das Original sowie 500 Nachahmungen gibt. Und das untergräbt auch die Motivation von Unternehmern, die sich viel einfallen lassen.

„Unsere Kultur verachtet das Neue, die Veränderung, damit die Innovation und das Original“, sagt Lotter.

Was nicht passt, wird passend gemacht. Doch wie wird ein System so attraktiv, dass man nach einer Innovation, die nachgeahmt wird, wieder die Kraft, die Mittel und die Anreize hat, das nächste Projekt anzugehen? Ob sich das lohnt, sei laut Lotter eine Kulturfrage: in der Organisation, der Wirtschaft und der Gesellschaft.

„Wir haben Ansprüche an Menschen, dass sie mit dem, was die Realität anbietet, realistisch umgehen. Also nicht mit dem Ellbogen durch die Welt zu gehen, sondern auch etwas in Form von Ideen und Problemlösungen zurückzugeben“, betont Lotter.

Jeder Handwerker mache das so, Intellektuelle aber immer weniger. Wenn Menschen im Zeitalter der Wissensökonomie den Austausch von Wissen so missverstehen, dass sie sich ihren Teil nehmen, aber nichts mehr zurückgeben – dessen ist sich der Buchautor sicher – dann stimme etwas nicht.

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